Im fünften Teil unserer Blogreihe „Agiles Projektmanagement“ beschäftig sich Jakob Paul Weinknecht mit der Frage, ob es so etwas wie agiles Projektmanagement überhaupt gibt:
5. Ich beginne meinen Blogeintrag mit einer provokanten Aussage: „Es gibt kein agiles Projektmanagement.“
Stimmen Sie mir zu oder schütteln Sie gerade energisch den Kopf?
Zugegeben, man muss sich zuerst einmal klar machen, von welchen agilen Vorgehensmodellen ich spreche. Einige Gemeinsamkeiten teilen fast alle: Ihre Entwicklung folgt einem schrittweisen, nahtlos aufbauenden, sich wiederholenden Prozess. An dessen Ende steht meist ein Produkt, eine Dienstleistung oder ähnliches. Diese sehr klare (und auch sehr sinnvolle) Orientierung führt dazu, dass die Werkzeuge und Methoden rein auf den Entwicklungsprozess ausgerichtet werden.
Beispiel gefällig? Nehmen wir als Beispiel SCRUM. SCRUM basiert auf 3 Prinzipien:
- Transparenz
- Überprüfung
- Anpassung
Transparenz bedeutet, dass sowohl der Fortschritt, als auch mögliche auftretende Hindernisse – regelmäßig und für alle sichtbar – festgehalten werden. Das Prinzip der Überprüfung stellt sicher, dass die Funktionalitäten des Produkts in regelmäßigen Zyklen überprüft und beurteilt werden. Anpassung wiederum heißt, Pläne und Vorgehensweisen werden kontinuierlich angepasst. Dabei wird die Komplexität einer Aufgabe nicht verringert, sondern in kleinere, leichter zu bearbeitende, Bestandteile zerlegt.
An diesem Beispiel wird die starke Ausrichtung auf die Entwicklung eines Produktes deutlich sichtbar. Betrachten wir jetzt unsere Branche, so wird schnell deutlich, dass wir noch weitaus mehr Aufgaben zu lösen haben, als nur die reine evolutionäre Entwicklung eines Produktes nach obigem Schema.
Worauf es ankommt
Ganzheitliche, branchenorientierte Lösungen verlangen Entwicklung, Implementierung, Inbetriebnahme und auch Betreuung. Letztere sind sogar ganz wesentliche Baustein des Erfolges von Unternehmenslösungen. Sowohl Management der Zielorganisation, als auch die Erwartungen der Stakeholder müssen abgeholt und eingebunden werden, um eine Implementierung zum bestmöglichen Erfolg zu führen.
Projekte richtig einordnen
Eine wesentliche Grundlage im Projektmanagement stellt die Bestimmung des Projektes dar. Diese wird aus dem Kontext sowie Projekt-Umweltanalyse und Projekt-Risikoanalyse gewonnen.

Abgrenzung hilft, sich nicht zu verzetteln
Im Zuge der Bestimmung des Auftrags ist neben der zeitlichen (z.B. Milestones, Deadlines…), der sozialen (z.B. Teammitglieder) auch die sachliche Abgrenzung wichtig.
Nicht nur die Ziele des Projektes werden definiert, sondern auch die Nicht-Ziele festgehalten.
Stakeholder und Risiken berücksichtigen
Die Projekt-Umweltanalyse setzt sich dabei mit den Erwartungen und Vorbehalten der am Projektergebnis interessierten Stakeholder auseinander. Dadurch erlaubt sie, in der Projektabwicklung Erwartungen steuern und Vorbehalte abbauen zu können. Ebenso stellt die mitlaufende Projekt-Risikoanalyse ein ganz wichtiges Element dar, die, kombiniert mit den Ergebnissen der Projekt-Umweltanalyse, nicht nur die Projektinhalte, sondern eben auch die Erwartungen und Vorbehalte der Zielorganisation umfassen und transparent machen.
Baukasten für alle Bedürfnisse?
Umfassende Projektmanagementmethoden, wie z.B. IPMA, bieten einen Baukasten mit mehr als vierzig Methoden und Werkzeugen für Projektsteuerung und -koordination. Der Fokus liegt dabei auf Kontextmanagement und Verhaltenssteuerung, nur ein Drittel besteht aus rein technischen Projektmanagement-Kompetenzen.

Innen – und Außensicht berücksichtigen
Das stellt nur einen kurze Abriss und Einblick in das Projektmanagement dar, soll aber zeigen, wie umfassend der Themenbereich ist, der sich durch die Implementierung einer Lösung ergibt. Vergleicht man jetzt agile Vorgehensmethoden und Projektmanagement, so zeigt sich bei der ersteren eine sehr starke Innensicht, die eben auf die Entwicklung fokussiert ist. Dem gegenübergestellt ist das Projektmanagement, das aus Außen- und Innensicht besteht.
Es bietet dazu einen umfangreichen Baukasten an Werkzeugen und Methoden, um Planung, Fortschritt und Steuerung des Inhaltes (Innensicht) zu ermöglichen. Zusätzlich wird ein noch umfangreicherer Baukasten an Methoden und Werkzeugen für die Erfassung und Steuerung des Kontext und des Verhaltens (Außensicht) bereitgestellt. Damit ist man für beides bestens gewappnet.
Hilfe zur Selbsthilfe
An dieser Stelle muss man klar anmerken: Projektmanagement bietet keine Vorgehensmodelle für das WIE, also wie die Lösung erarbeitet werden soll. Das ermöglicht Inhalte sowohl nach agilen oder klassischen Vorgehensmodellen zu konzipieren. Man kann sogar beide Vorgehensmodelle innerhalb eines Projektes miteinander kombinieren, solange Themen und Aufgaben gut voneinander abgegrenzt werden.
Agile Vorgehensmodelle vs. Projektmanagement
Erinnern Sie sich an meine eingangs getätigte Aussage „Es gibt kein agiles Projektmanagement“?
Sie sollte jetzt viel klarer erscheinen:
Agile Vorgehensmodelle fokussieren auf die Arbeit „im Projekt“, sehr stark auf das WIE. Welche Methode wird verwendet, um den Inhalt eines Projektes (egal ob Produkt, Dienstleistung oder Lösung) zu entwickeln.
Projektmanagement hingegen legt den Schwerpunkt auf die Steuerung des Projektes auf die Projektziele zu, stellt also sowohl die Arbeit „am Projekt“ als auch „im Projekt“ in den Mittelpunkt. Offen bleibt jedoch das WIE.